Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden aus den prachtvollen Puppenhäusern der früheren Jahrhunderte einzelne Räume herausgelöst. Nur in dieser kleineren und preisgünstigeren Form konnten sie zum Spielzeug für viele Kinder werden. Allerdings blieben diese Einzelräume oder wenige Räume umfassenden Puppenstuben nur wohlhabenden Familien vorbehalten.

 

Der Raum, der vermutlich den höchsten Spielwert und den größten erzieherischen Nutzen versprach, war die Küche. Als Möglichkeit für die höheren Töchter, fernab von der elterlichen Küche mit dem oft derben Personal die Freude des Arbeitens wie die Großen zu erleben, verbreitete sich diese Gehäuseform schnell.

 

Puppenküchen wurden dem Zeitgeschmack angepasst und beinhalteten, wenn die Besitzer dies wünschten, alle "modernen" Errungenschaften. Sie sind also ein in gewissem Umfang ein Spiegel der Realität. Allerdings kauften Eltern nicht nur unter dem Aspekt der zeitgemäßen Ausstattung. Viele Mütter wünschten sich für ihre Kinder eine Puppenküche, wie sie einst selbst besessen hatten und tendierten daher zu einer veralteten Ausstattung. So wurden Gehäuse und Zubehör über längere Zeit in der gleichen Form angeboten. Diese auch von anderen Puppenstuben bekannte Stilverschleppung erschwert die genaue Altersbestimmung.

 

Kochen auf offenem Feuer

Die Küchen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auf einer gemauerten Herdstelle auf dem offenen Feuer gekocht. Durch den allgegenwärtigen Ruß waren die Küchen dunkel und stickig. Die Wände, die ohnehin schnell verrußten, wurden in gedeckten Farben gestrichen.

Die Ausstattung bestand aus Schüssel- und Tellerborden, Kellen- und Löffelhaltern, Zapfenbrettern, einem Brotschrank für die Vorräte sowie Kleintierställen für die Mast von Geflügel.

Eine Wasserversorgung in der Wohnung war die Ausnahme, jedoch waren viele Küchen mit einem Schüttstein ausgerüstet, in den das verschmutzte Wasser entsorgt werden konnte.

Die Eimer mit dem Frischwasser vom Brunnen standen abgedeckt auf der Wasserbank. Zu einigen frühen Puppenküchen wurde ein Blechbrunnen mitgeliefert, in dem die Kinder durch Schwengelbewegung Wasser pumpen konnten.

Es war eine Herausforderung für die Bediensteten, die im Ruß ständig verschmutzenden Töpfe, Schüsseln und Pfannen blank zu halten.

Die frühen Puppenküchen sind ebenfalls meistens in gedeckten Farben gestrichen. Da sie aber ein Spielzeug waren, repräsentieren einige in ihrer Farbgestaltung auch die farbenfrohe Epoche des Biedermeiers.

Die wenigen, meist offenen Möbel sind fest mit dem Gehäuse verbunden.

Der Boden zeigt, ganz dem Zeitgeschmack entsprechend, ein Schachbrettmuster oder ein aufwändiges Fliesenmuster, das durch seine Farbgestaltung zweidimensional wirkt - sogenannte Trompe-l´oeuil-Muster.

Häufig haben diese frühen Puppenküchen ein angedeutetes Dach als Relikt der Prunkhäuser, aus denen sie gerade erst ausgezogen waren.

Zur Ausstattung gehören heute unbekannte Gegenstände: Wassergölten, also Eimer mit einer einseitig hochgezogenen Wand und Lederträgern zum Transport des Wassers vom Brunnen, dreibeinige Stative für die Töpfe oder dreibeine Töpfe und Pfannen, Waffeleisen mit langem Griff für den nötigen Abstand zur Glut, Bratenspieß und Räucherhaken, Zuckerbrecher oder Zuckerzange und zuweilen auch Wachsstöcke, von denen die Kerzen abgewickelt und in der benötigten Länge abgeschnitten wurden.

 

Der Herd zieht ein

Die Küchen der frühen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mit der Erfindung des geschlossenen Herdes, der sogenannten "Kochmaschine", endete die Zeit des offenen Kamins in der Küche - im Großen wie im Kleinen. Da viele Menschen befürchteten, das nicht über offenem Feuer gegarte Speisen weniger wohlschmeckend sein könnten, lösten die großen Herde die Kochstellen aber nur allmählich ab.

In der Puppenküche wurden die aus Holz gefertigten Kochstellen durch die modernen Eisenblechherde ersetzt. Das Kaminrohr des Herdes ragte einfach in die Öffnung des Rauchfangs hinein. Neu gefertigte Küchen enthielten nach 1850 immer seltener noch Rauchfänge, waren also gleich für die Ausstattung mit einem Blechherd konzipiert.

Für das Spiel der Mädchen bedeutete diese modernere Ausstattung eine große Bereicherung. Endlich konnte richtig gekocht werden! Allerdings war das Kochen mit Hilfe der Spiritusbrenner nur älteren Mädchen unter Anleitung durch Erwachsene gestattet - zu groß war die Gefahr eines Brandes.

Die geschlossenen Herde führten zu einer deutlichen Verbesserung der hygienischen Zustände in der Küche. Durch den Wegfall von Ruß und Rauch konnten die Küchen nun auch in helleren Tönen gestrichen werden. Die Zurschaustellung der kupfernen Gerätschaften blieb in Mode. Sie mussten jetzt aber nicht mehr ganz so oft gereinigt werden.

Anders als in den Küchen der Eltern gab es in vielen Puppenküchen fließendes Wasser. Ein außen montierter Brunnen oder ein Wassertank mit Wasserhahn boten den Luxus von fließendem Wasser vor Ort.

Auf dem Boden befanden sich weiterhin vor allem Schachbrett- und Trompe-l´oeuil-Muster. Auch die Möblierung blieb weitestgehend bestehen. Die Kochutensilien wurden immer noch offen aufbewahrt, die Vorräte in Brotschränken aufbewahrt.

 

Küchenschränke müssen her

Die Küche in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts

Wer in seiner Küche Dinge offen aufbewahrt, weiß, wie aufwändig es ist, diese Dinge sauber zu halten. In der weiteren Entwicklung der Küche setzten sich vermutlich au diesem Grund Küchenschränke durch. Ihre verglasten Türen ermöglichten weiterhin eine Präsentation der schönsten Ausstattungsteile, verminderten die Verschmutzung und damit den Putzaufwand erheblich.

Die Formen wurden verspielter und stärker verziert. Die Gründerzeit mit ihrem bunten Stilmix vergangener Epochen beeinflusste auch stark die Puppenküchen und Puppenstuben.

Ein neues Möbelstück: Hinter verglasten Türen werden Lebensmittel und Geschirr - vor Ungeziefer und Schmutz geschützt - verwahrt.

Auf dem Fußboden gibt es neben Schachbrett- und Trompe-l´oeuil-Mustern auch einfarbige Böden und Böden mit

Terrazzobemalung.

Die Küche war nun nicht mehr nur ein Ort der Arbeit, sondern man konnte dort auch essen und in der Wärme der großen Kochmaschine gemütlich beisammen sitzen.

In der Puppenküche finden wir in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts daher häufig einen Tisch mit Stühlen, der die Möblierung mit Büfettschrank, Anrichte, Wasserbank und Spülschrank ergänzt.

 

Blank und rein soll meine Küche sein

Die Küche um 1900

Das Ende des 19. Jahrhunderts bedeutete einen großen Einschnitt bei der Entwicklung der Küche. Ein neu entwickeltes Hygienebewusstsein führte zu der Forderung, Küchen möglichst hell zu streichen und einzurichten, damit eventuelle Verschmutzungen sofort gesehen und beseitigt werden konnten.

Die Möblierung verändert sich stilistisch, bleibt aber von der Funktion her ähnlich. In den großen Küchen setzt ein wahrer Verpackungswahn en. Nichts darf mehr offen liegen: alle Vorräte sind in Dosen, alle Geräteschaften in Schränken verstaut.

In der Puppenküche dagegen werden die hübschen Ausstattungsteile nach wie vor offen zur Schau gestellt.

Entsprechend sind die Küchen dieser Zeit mit weniger verschnörkelten und so pflegeleichen Oberflächen ausgestattet, weiß oder cremefarben gestrichen und tragen oft Verzierungen durch (oft blaue) Linien.

Die Wände sind mindestens bis auf Arbeitsflächenhöhe gefliest und ebenso wie die Möbel sehr hell und mit Linien und/oder

Jugendstilornamenten verziert.

 

Die Holländer kommen

Die Küche um 1920

Nach der Gründerzeit mit dem formenreichen Stilgemisch und dem Jugendstil, der ebenfalls reiche Dekore aufwies, setzten sich nach dem 1. Weltkrieg schlichte Formen bei den Möbeln durch. Zur Standardausrüstung der Küche gehören neben dem Küchenbüfett die Anrichte, Tisch und Stühle, ein hoher Besenschrank, ein Spülschrank und auch die Wasserbank bleibt erhalten, obwohl sich unterdessen viele Haushalte der Wasserversorgung in der Küche erfreuen.

Verziert wird nur ganz sparsam: die meist hell gestrichenen Möbel - neben weiß und cremefarben kommt nun ein mintähnlicher Ton in Mode - tragen schlichte Sprossen in den Fenstern der Schränke oder einfache, gerade Linien, sehr oft in Schwarz, Blau oder Gold.

Nicht schlicht ist die Wandgestaltung: zu dieser Zeit sind Delfter Motive sehr beliebt. Sie finden sich auf Brotdose und Vorratsgefäß, vor allem aber zieren die Windmühlen, Holländerpärchen in Tracht und Segelboote die Fliesen und Bordüren, die oft bis zur Decke reichen.

Delfter Motive sind traditionell in Weiß bzw. einem hellen Cremeton und Blau gehalten. Sehr selten findet man bunte Holländermuster.

 

Die Küche wird zum Arbeitsplatz

Die Reformküche der späten 1920er Jahre

Die Erfahrung, dass im Weltkrieg Frauen neben der Hausarbeit auch noch erwerbstätig sein mussten, um ihre Familien zu versorgen, während der Mann im Krieg war, mag dazu beigetragen haben, dass sich verschiedene Menschen darüber Gedanken machten, wie eine Küche unter arbeitsökonomischen Aspekten auszusehen hatte.

Die Frankfurter Küche wurde Ende der 1920er Jahre von einer Wiener Architektin entwickelt. Die Küche sollte - wie ein Arbeitsplatz in der Industrie - alle für die Küchenarbeit erforderlichen Dinge in Reichweite der Hausfrau bereit halten. Dadurch hatte diese Küche eine sehr kompakte Form. Der geringe Platzbedarf der Küchen, die als Vorgänger der modernen Einbauküche angesehen werden, passte gut zu dem modernen Massenwohnungsbau, der deutlich kleinere Wohnungen vorsah.

Der Essplatz verschwand wieder aus der Küche, die nun nur noch ein Arbeitsplatz war.

Ebenso wie die wirklichen Frankfurter Küchen stießen ihre miniaturisierten Nachbildungen auf wenig positive Resonanz. Während im realen Leben die Menschen durch Anbringen weiterer Möbelstücke und durch Etablierung eines Essplatzes in der Küche das Konzept der Küche störten und so ihr Lebensumfeld gegen alle architektonischen Bemühungen individualisierten, wurden die Spielzeuge einfach nicht gerne gekauft. Nach dem Vorbild der Frankfurter Küche hergestellte Puppenküchen sind daher sehr selten.

Neben den eingebauten Möbeln sind eine Vielzahl kleiner Schubladen typisch für diese Küchen. Verzierungen fehlen völlig. Die Küchen sind hell lackiert, die Wände abwischbar gestrichen oder gefliest.

An dieser Stelle, also in den frühen 1930er Jahren, endet mein Sammlung und damit auch meine Möglichkeit, die Erklärungen mit Fotos aus meiner Sammlung zu ergänzen.

Besonders empfehlenswert zur vertiefenden Lektüre sind folgende Bücher, die man antiquarisch noch bekommen kann:

  • Reinelt, Sabine: Puppenküche und Puppenherd in drei Jahrhunderten, Weingarten, 1985; ISBN 3-8170-1002-8
  • Stille, Eva: Puppenküchen 1800 - 1980, Nürnberg, Carl, 1985; ISBN 3-418-00321-4

Traditionell erst in der Vorweihnachtszeit hervorgeholt, gereinigt, renoviert und ergänzt, stand sie den Mädchen vom Weihnachtstag bis zum Dreikönigstag zum Spiel zur Verfügung und wurde dann für den Rest des Jahres weggeräumt. So hielten die teuren Spielzeuge lange und wurden oft über Generationen weitergegeben.