Ich hatte an anderer Stelle schon wiederholt geschrieben, dass ich von einer großen kibri-Küche mit originaler Einrichtung träume. Manchmal dauert die Erfüllung solcher Träume schon einige Jahre.

Bei mir begann sie mit der reizenden Mail einer mir bis dahin unbekannten Dame aus dem Süden Deutschlands:

Mit großem Interesse habe ich Ihre wunderbare Homepage studiert, die so viele Kostbarkeiten, die es auf dem faszinierenden Bereich des Puppenspielzeugs gibt, beinhaltet.

Aus altem Familienbesitz nennen wir eine schöne alte Puppenküche unser eigen. Meine Großmutter, die 1890 in Stuttgart geboren ist, hat bereits damit gespielt. Wir haben die Küche in Ehren gehalten und auch unsere Kinder haben gerne unter Aufsicht damit gespielt. Ich füge drei Photos in der Anlage bei.

Da es uns leider aus räumlichen Gründen nicht mehr möglich ist, die Küche aufzustellen, haben wir uns schweren Herzens entschlossen, uns von ihr zu trennen.

Hätten Sie eventuell Interesse daran?

Nach wenigen E-Mails und Gesprächen wurden wir uns einig. Die Küche sollte die weite Reise in den Norden antreten. Da sie sogar noch ihre originale Holzkiste hat, in der sie die Zeit zwischen den Weihnachtsfesten und die Wartezeit auf eine neue Generation Kinder verbrachte, wollte ich zunächst eine Spedition mit dem Transport des riesigen Stückes - die Kiste misst immerhin 155 x 55 x 65 cm - beauftragen.

Dann aber fiel meinem Mann zum Glück auf, dass uns die Reise in Speyer vorbeibringen würde, wo er im Museum unbedingt die spektakuläre Sammlung mechanischer Musikinstrumente anschauen wollte - auch schon seit Jahren.

Also brachte uns die Küche zu einem spontanen Wochenendtrip.

Netterweise nutzte die Vorbesitzerin die Zwischenzeit dafür, die Geschichte der Puppenküche - und damit auch ein kleines Stück der Familiengeschichte - aufzuschreiben:

Meine Großmutter lebte von 1890 – 1974 in Stuttgart. Sie war verheiratet mit einem Verwaltungsdirektor der Stadt Stuttgart. Aus der Ehe gingen 3 Töchter hervor: Hannie (geb. 1912), Lore (geb. 1918) und Annelies (geb. 1922).

Bei drei Töchtern war natürlich eine Puppenküche sehr willkommen. So erfüllte das Christkind gerne diesen Wunsch. Ob diese Puppenküche bereits aus der wohlhabenden Familie der Eltern meiner Großmutter stammte, und damit ein Erbstück war, ob sie meine Großeltern gebraucht oder neu erworben haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich weiß aus den Berichten meiner Mutter nur, dass sie über alle Maßen geschätzt wurde und mit großer Liebe und Sorgfalt und nur unter Aufsicht bespielt wurde. Sie wurde ausschließlich vom Christkind am Heiligen Abend gebracht und Anfang Januar wieder abgeholt.

In der Zeit, in der die drei Mädchen älter und in Ausbildung waren und selbst noch keine Kinder hatten, fand die Puppenküche einen guten und geschützten Platz auf dem geräumigen Speicher des großen Elternhauses in Stuttgart. Dort überlebte sie wie durch ein Wunder die heftigen Angriffe auf die Stadt Stuttgart im zweiten Weltkrieg. Unser Elternhaus blieb glücklicherweise vom Bombenhagel verschont. Um so glücklicher war die Familie, dass die geliebte Puppenküche „überlebte“ und der nächsten Generation zur Freude dienen konnte.

Meine Mutter Lore heiratete 1942 ihren Mann Günter. Im Jahr 1944 kam ich, ihre einzige Tochter, zur Welt. Auch ich wuchs im großelterlichen Haus in Stuttgart auf, sozusagen in der Großfamilie. So waren meine Großeltern und auch meine Mutter überglücklich, als auch ich in das Alter kam, in dem man gemeinsam mit der Puppenküche spielen konnte. Wunderbare Erinnerungen sind an diese Jahre geknüpft.

Als auch ich dem Puppenspielalter entwachsen war, durfte die Küche wieder ihren geschützten Platz auf dem geräumigen Dachboden beziehen und auf die nächste Generation warten.

Unsere Söhne kamen 1975 und 1981 auf die Welt. Nach einem vierjährigen, beruflich bedingten Auslandsaufenthalt durfte 1980 die Puppenküche zu uns umziehen. Zu unserer großen Freude konnten wir die alte Familientradition fortführen. Zu jedem Weihnachtsfest reiste extra meine liebe Mutter aus Stuttgart an, um die Puppenküche für ihre Enkel aufzubauen und sie ganz behutsam in den Umgang mit diesem kostbaren Stück einzuweisen.

So hatten auch unsere Söhne viel Freude und wunderbare Erinnerungen sowohl an die Küche als auch an ihre geliebte Großmutter.

Nach über hundert Jahren hat sich diese schöne Puppenküche vom Spielzeug zum Museumsstück gewandelt. Ich habe erkannt, dass sie als Spielzeug für unsere 5 Enkel nicht in Frage kommt. Auch haben unsere beiden Söhne leider keinen Platz zur Aufbewahrung des kostbaren Stücks.

So habe ich den Entschluss gefasst, mich nach den vielen Jahren von der Puppenküche zu trennen. Ich wollte ihr die ungewisse Zukunft und das „Leben“ vieler Jahre in der dunklen Kiste ersparen. So machte ich mich auf die Suche nach einem Liebhaber, bei dem die Puppenküche Wertschätzung erfährt und einen Platz findet, in dem sie ihre Schönheit entfalten kann und noch viele Jahre dem Besitzer und den Beschauern Freude macht.

Wie für Puppenküchen, die über mehrere Generationen in Familienbesitz waren, üblich, reiste gemeinsam mit der Küche und ihrem glücklicherweise kompletten, gut erhaltenen Mobiliar auch die reiche Ausstattung mehrerer Generationen mit an. Ich werde die Küche hier mit den Ausstattungsteilen der ersten und zweiten Generation zeigen. Die modernere Ausstattung bewahre ich in der Holzkiste auf.