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Philippe Suchard, der Gründer der bis heute berühmten Schokoladenfabrik, machte sich 1826 mit einer kleinen Schokoladenmanufaktur selbständig. Schnell zeigten sich erste Erfolge, die ihn zum Expandieren bewegten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangen der Firma einige technische Neuerungen, die es möglich machten, kostengünstiger und gleichzeitig mit verbesserter Qualität Kakaoerzeugnisse zu produzieren. 1901 wurde die berühmte Milka-Schokolade, die ihren Namen den beiden Hauptbestandteilen Milch und Kakao verdankt, erfunden. Neben dieser Spezialität bot Suchard die Sorten Velma und Noisettine sowie weiterhin Kakao an.

Von Anfang an war Lila die Farbe der Milka-Schokolade. Man führt den Erfolg dieser Sorte auch auf diese ungewöhnliche und deshalb als Signal wirkende Farbwahl zurück. Neben der Werbung auf Plakaten und emaillierten Blechschildern, mit denen Suchard schon im 19. Jahrhundert das Publikumsinteresse zu erlagen versuchte, warb Suchard auch gezielt um die Gunst der Einzelhändler. So brachten die Firma zwischen 1890 und 1910/15 verschiedene Wanduhren heraus, die den Verkäufern als Geschenk überreicht wurden. Diese Uhren sind relativ zahlreich erhalten geblieben, entsprachen mit ihrer teilweise sehr bunten Gestaltung aber bald nicht mehr dem Zeitgeist und wurden daher in vielfältiger Weise überarbeitet.

Leider ist die Geschichte dieser Uhren nie recherchiert worden und selbst das heutige Suchard-Archiv verfügt nur über ein einzelnes Foto sowie einige Unterlagen, die der Firma erlaubten, anlässlich eines Jubiläums eine Nostalgieuhr aufzulegen, die in der äußeren Gestaltung annähernd den Uhren um 1900 entsprach. Da ich mich schon seit etlichen Jahren mit diesen Werbeuhren beschäftige, kann ich mit meinen Kenntnissen vielleicht dazu beitragen, dass interessierte Sammler originale von überarbeiteten Uhren unterscheiden können und Restauratoren die Zubehörteile den richtigen Uhren zuordnen.

Suchard-Uhren um 1890

Ich gehe davon aus, dass die ersten Werbeuhren um 1890 entstanden.

Gehäuse:

Sie besitzen ein rechteckiges Gehäuse mit leicht geschwungener Fronttür.

Bemalung des Fensters:

Das untere Fenster, hinter dem sich das Pendel verbirgt, ist mit einer Berglandschaft mit Bergsee bemalt. Auf dem See befinden sich in einem Boot zwei Frauen in ländlicher Tracht, die eine Schokoladenkiste vor sich haben. Die Scheibe trägt bei den Uhren, die für den deutschsprachigen Raum hergestellt wurden, die Aufschrift: Zum Rohessen unübertroffen. Für den französischsprachigen Markt steht dort: Pour adouer sans rival.

Bemalung der Fronttür:

Die Front ist direkt bemalt und mit sehr schöner Jugendstilornamentik in gold bedruckt. Hier steht - bei allen diesen Uhren - Velma mittig oberhalb des bemalten Fensters und Suchard mittig darunter. Diese Uhr wurde in mindestens drei Farben angeboten: Cremeweiß, Rot und Grün.

Uhrwerk, Ziffernblatt und Uhrenzeiger:

Das Uhrwerk sitzt auf einem Tragstuhl aus Messingguss. Das Ziffernblatt zeigt römische Zahlen und trägt häufig, aber scheinbar nicht immer, die Aufschrift Velma Suchard. Die Zeiger ähneln noch sehr den Uhrzeigern der Gründerzeit: filigran durchbrochen.

Pendel:

Das Pendel ist ein typisches Gründerzeitpendel mit Buchstabenbedruckung auf der Pendellinse.

Suchard-Uhren um 1900/1910

Sehr ähnlich in der Gestaltung, aber durch die gefälligere Form von Gehäuse und Front noch typischer für den Jugendstil sind die Uhren, die um 1910 hergestellt wurden.

Gehäuse:

Sie besitzen ein sechseckiges Gehäuse mit geschwungener Fronttür.

Bemalung des Fensters:

Die Scheibenbemalung, die eine leuchtend grüne Wiese mit drei Schokolade-essenden Mädchen in rotem Kleid zeigt sowie einem Mädchen im Hintergrund, das nichts abbekommt, ist im unteren Teil durchbrochen, so dass man das Pendel schwingen sieht. Auf dem Bild stehen die Namen der Schokoladenerzeugnisse von Suchard: Velma, Milka, Bittra

Bemalung der Fronttür:

Sie sind ebenfalls direkt auf ihr Holz bemalt worden und tragen neben einer Verzierung im Golddruck die (deutschsprachige) Beschriftung "Suchard´s Velma Schokolade" oder "Suchard´s Milka Schokolade". Velma-Uhren sind bordeauxrot, Milka-Uhren (natürlich) violett. Denkbar ist, dass es auch für die Sorten Noisettine und Bittra solche Uhren gab, doch habe ich diese noch nicht gesehen.

Uhrwerk, Ziffernblatt und Uhrenzeiger:

Das Ziffernblatt trägt arabische Zahlen (1-12) und ist zusätzlich mit roten Hilfsziffern (13-24) bedruckt. In der Ziffernblattmitte steht "Cacao Suchard". Die Zeiger sind schwarz und schlicht gestaltet.

Pendel:

Das Pendel ist schlicht und hat eine glatte Messinglinse.

Schlichte Suchard-Uhren um 1910

Ebenfalls aus dieser Zeit stammt eine zweite Gruppe Uhren, welche die gleiche Form von Gehäuse und Front, die gleichen Uhrwerke mit schlichten Pendeln und identischer Beschriftung haben. Ich habe keine solche Uhr mit intakter Scheibenbemalung gesehen, nehme aber an, dass sie ebenfalls durchbrochen war.

Gehäuse:

Sie besitzen ein sechseckiges Gehäuse mit geschwungener Fronttür.

Bemalung des Fensters:

Vermutung: Die Scheibenbemalung, die eine leuchtend grüne Wiese mit drei Schokolade-essenden Mädchen in rotem Kleid zeigt sowie einem Mädchen im Hintergrund, das nichts abbekommt, ist im unteren Teil durchbrochen, so dass man das Pendel schwingen sieht. Auf dem Bild stehen die Namen der Schokoladenerzeugnisse von Suchard: Velma, Milka, Bittra

Bemalung der Fronttür:

Die Besonderheit dieser schlichten Uhren besteht darin, dass sie nicht direkt bemalt, sondern mit bedrucktem Papier beklebt und anschließen lackiert wurden. Anstelle der Bedruckung der Front haben sie auf violettem Untergrund schmale Goldstreifen an allen Kanten.

Uhrwerk, Ziffernblatt und Uhrenzeiger:

Das Ziffernblatt trägt arabische Zahlen (1-12) und ist zusätzlich mit roten Hilfsziffern (13-24) bedruckt. In der Ziffernblattmitte steht "Cacao Suchard". Die Zeiger sind schwarz und schlicht gestaltet.

Pendel:

Das Pendel ist schlicht und hat eine glatte Messinglinse.

Suchard-Uhren um 1905

Sehr ähnlich in der Gestaltung, aber durch die gefälligere Form von Gehäuse und Front noch typischer für den Jugendstil sind die Uhren, die um 1910 hergestellt wurden.

Gehäuse:

Sie besitzen ein sechseckiges Gehäuse mit geschwungener Fronttür. Sie ähnelt auf den ersten Blick stark der vorher beschriebenen Form, doch gibt es leichte Unterschiede in der Form der Fronttür. Diese Kenntnis kann wichtig sein, wenn man einer überlackierten Uhr begegnet.

Bemalung des Fensters:

Die Scheibenbemalung, die eine leuchtend grüne Wiese mit drei Schokolade-essenden Mädchen in rotem Kleid zeigt sowie einem Mädchen im Hintergrund, das nichts abbekommt, ist durchgängig. Man kann das Pendel von außen also nicht sehen.Auf dem Bild stehen die Namen der Schokoladenerzeugnisse von Suchard: Velma, Milka, Bittra

Bemalung der Fronttür:

Diese Werbeuhr ist ebenfalls mit bedrucktem Papier beklebt, das eine rankende Pflanze (Erika) zeigt und die französische Aufschrift Chocolat am oberen Rand in braun und Suchard am unteren Rand in grün trägt.

Uhrwerk, Ziffernblatt und Uhrenzeiger:

Das Uhrwerk hat hier ebenfalls keinen Tragstuhl, sondern die bereits beschriebene Blechstreifenhalterung. Das Ziffernblatt trägt römische Zahlen. Daher stammt meine Vermutung, dass sie früher als die vorher beschriebenen Uhren entstanden sein könnte. Denkbar ist natürlich auch, dass sie zeitgleich für den französischen Markt herausgegeben wurde wie die zuvor beschriebenen Uhren. In der Ziffernblattmitte steht "Cacao Suchard". Die Zeiger sind schwarz und schlicht.

Pendel:

Das Pendel hat eine sehr hübsche vernickelte Jugendstillinse, die man jedoch ursprünglich nicht sah, weil sie hinter der durchgängigen Scheibenbemalung (Wiesenmotiv) verschwand.

Schlichte Suchard-Uhren um 1905

Auch hiervon gibt es eine schlichte Variante in cremeweiß mit identischem Ziffernblatt, gleichem Uhrwerk und Pendel sowie ebenso geformter Front, bei dem an den Kanten je eine goldene Zierlinie verläuft.

Gehäuse:

Sie besitzen ein sechseckiges Gehäuse mit geschwungener Fronttür. Sie ähnelt auf den ersten Blick stark der vorher beschriebenen Form, doch gibt es leichte Unterschiede in der Form der Fronttür. Diese Kenntnis kann wichtig sein, wenn man einer überlackierten Uhr begegnet.

Bemalung des Fensters:

Die Scheibenbemalung, die eine leuchtend grüne Wiese mit drei Schokolade-essenden Mädchen in rotem Kleid zeigt sowie einem Mädchen im Hintergrund, das nichts abbekommt, ist im unteren Teil durchbrochen, so dass man das Pendel schwingen sieht. Auf dem Bild stehen die Namen der Schokoladenerzeugnisse von Suchard: Velma, Milka, Bittra

Bemalung der Fronttür:

Diese Werbeuhr ist ebenfalls mit bedrucktem Papier beklebt, das als einzige Verzierung einen schmalen Goldstreifen an allen Kanten trägt. Diese Form kenne ich bisher nur in cremeweiß.

Uhrwerk, Ziffernblatt und Uhrenzeiger:

Das Uhrwerk hat hier ebenfalls keinen Tragstuhl, sondern die bereits beschriebene Blechstreifenhalterung. Das Ziffernblatt trägt römische Zahlen. In der Ziffernblattmitte steht "Cacao Suchard". Die Zeiger sind schwarz und schlicht.

Pendel:

Das Pendel hat eine sehr hübsche vernickelte Jugendstillinse, die man jedoch ursprünglich nicht sah, weil sie hinter der durchgängigen Scheibenbemalung (Wiesenmotiv) verschwand.

Zumindest die Uhren nach 1900 haben ein Junghans-14-Tage-Uhrwerk, das recht laut ist.

Zeichen der Zeit - Spuren der Überarbeitung

Wie ich anfangs schon berichtete, wurden diese Uhren in unterschiedlichster Weise dem eigenen Geschmack angepasst.

Die harmloseste Variante ist das Überstreichen des Gehäuses sowie - weniger harmlos - das Entfernen der Fensterbemalung. Vor allem bei den mit Papier beklebten Fronten lässt sich die Farbe vorsichtig abkratzen und die Verzierung freilegen.

Die fehlende Scheibenbemalung empfinde ich persönlich als nicht störend. Für Sammler von Werbeuhren ist das allerdings eine erhebliche Wertminderung.

Eine Alternative zur leeren Scheibe, die man relativ häufig sieht, ist der Ersatz durch zugeschnittene Werbebildchen aus Papier oder Pappe. Da diese Veränderung reversibel ist, halte ich sie für eine gelungene Lösung.

Viele Uhren wurden jedoch geschliffen, so dass die Bemalung unwiederbringlich zerstört ist. Dann taugt sie nur noch zur Dekoration, nicht jedoch mehr als lohnendes Sammlerobjekt.

Teilweise wurde auch die Form der Front verändert und anstelle der Scheiben Porzellan oder Keramik in die Öffnung eingebracht. Das zerstört die Uhr bis zur Unkenntlichkeit und macht sie wertlos.

Ich hoffe, mit meinen Ausführungen viele Fragen zu diesem Sammelgebiet beantwortet zu haben. Natürlich helfe ich bei offenen Fragen gerne weiter und bin gespannt auf einen Meinungsaustausch mit anderen Sammlern und Interessierten. Zudem würde ich mich über Bilder anderer Werbeuhren der Firma Suchard, die das Thema hier ergänzen könnten, sehr freuen!